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1870/71 – französische Kriegsgefangene in Schwerin

Ankunft in Mecklenburg

Transport französischer Gefangener in einem Frachtwagon der Eisenbahn. Illustration von A. Schaal für die Zeitschrift "Gartenlaube", 1870
Illustration von A. Schaal für die Zeitschrift "Gartenlaube", 1870 Transport französischer Kriegsgefangener nach Berlin

Mit Spannung erwartet

Zunächst ging die mecklenburgische Militärverwaltung davon aus, dass lediglich 1.200 Kriegsgefangene nach Schwerin kommen würden. Zeitungsmeldungen mit Fakten und Mutmaßungen lassen erahnen, dass diese mit einiger Spannung vor Ort erwartet wurden. Vorbehalte gab es gegen die "Turkos", in Algerien rekrutierte französische Soldaten. Diese versah die "Mecklenburger Zeitung" mit dem Attibut "berüchtigt".

Mecklenburgische Zeitung, 7.9.1870

Nachdem vorgestern Abend die ersten preußischen Verwundeten in Schwerin eintrafen, werden wir in den nächsten Tagen auch einen Besuch von 1200 französischen Kriegsgefangenen erhalten […]

Rostocker Zeitung, 10.9.1870

[…] Wie verlautet, werden dieselben in die Caserne auf dem Ostdorfer Berge gelegt, die übrigen auf den Kaninchenwerder und den Ziegelwerder vertheilt werden. Die Caserne auf dem Ostdorfer Berge ist gestern geräumt worden.

Rostocker Zeitung, 15.9.1870

Schwerin, 14. Sept. […] Gestern hat man begonnen, das Zeltlager auf dem Kaninchen- resp. Ziegelwerder aufzuschlagen, welches zur Aufnahme der erwarteten Franzosen bestimmt ist. Als Wache wird das auf dem Kaninchenwerder belegene sogen. Weberhäuschen benutzt werden. Dem Vernehmen nach werden die Gefangenen Schwerin gar nicht herführen, sondern von Hagenow ab in directer Richtung nach Zippendorf gehen und von dort durch die drei Dampfschiffe an ihre Bestimmungsorte gebracht werden. […]

Rostocker Zeitung, 17.9.1870

Schwerin, 16. Sept. Am gestrigen Tage sollen – hier eingetroffenen Nachrichten zufolge – die bisher bestimmten französischen Kriegsgefangenen aus Sedan abgegangen sein. […]

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20.9.1870:

Die lange erwarteten Franzosen trafen gestern Abend gleich nach 9 Uhr hier ein. Es waren neunhundert an der Zahl, escortiert von ein hundert und siebzig Bayern, unter dem Commando dreier Offiziere. Das Terrain in der Nähe des neuen Kirchhofs war am ganzen Nachmittag buchstäblich belagert, die Hoffnung auf eintreffende Franzosen wurde nicht ganz getäuscht, denn um 6 Uhr passierte ein Extrazug mit dreihundert Verwunderten, welche für Rostock (s. u. Rostock) bestimmt sind, den Schweriner Bahnhof. Den von hier aus nach der Artillerie-Caserne transportierten Gefangenen gaben Tausende von Menschen das Geleite. Der Zug wurde von berittenen Gendarmen geführt. Dann folgten die berüchtigten Turkos, auch Zuaven und später la grande nation in langen Zügen, escortiert von der Ersatzmannschaft unseres Jäger-Bataillons.

Die Franzosen waren durchweg kleine, entnervte Gestalten, ihre Kleidung war höchst abgegriffen, wie sich dies nach tagelangem Marsch von Sedan und vorausgehenden Kämpfen nicht anders erwarten ließ, zum Theil fehlte die Fußbekleidung ganz.

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Bewacht von bayerischen Soldaten

Die Bewachung stellten Landwehrleute vom 63. Regiment, ein bayerischer Truppenteil. Fluchten von Gefangenen und Widersetzlichkeiten gegen die Wachmannschaft wurden hart bestraft. Offiziere, die nach einer Flucht ergriffen wurden, verloren ihren Offiziersstatus und wurden zur Arbeit in einer Strafkompagnie eingeteilt.

Damenbesuch für die Bewacher

MZ, 29.11.1870

(nach einem Bericht des "Rostocker Tagesblattes")

"Das 'R.T.' schreibt man vom Bahnhof Hagenow, 25. Nov.: Drei Polinnen, die mit 2 ihrer kleinen Kinder aus Ober-Schlesien hier heute eintrafen, machten durch ihre polnische Sprache sowohl als durch ihre kleidsamen weißen Hauben einiges Aufsehen; noch mehr aber, als man erfuhr, daß dieselben die weite Reise à Person für 10 Thlr., in IV. Cl. gemacht, um ihre Männer, die in Schwerin die französischen Kriegsgefangenen bewachen, zu besuchen."