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Schliemann 200 - Raum 2

Zwischen Archäologie und Selbstdarstellung

Schliemann zieht 1866 nach Paris und studiert an der Sorbonne Philologie, Philosophie und Literatur. Für die Arbeit "Ithaka, der Peloponnes und Troja" verleiht ihm die Universität Rostock den Doktortitel. Schliemann reist viel: von Ostasien über Nordafrika bis nach Südamerika. Auf einer dieser Reisen trifft er zufällig den US-Amerikaner Frank Calvert, der in Kleinasien am Berg Hirsalik die von Homer beschriebene antike Stadt Troja vermutet. Nach einer ersten illegalen Probegrabung 1870 folgt dort 1871 die erste legale Grabung Schliemanns: Ein brachialer Schnitt durch den Hügel lässt mehrere Siedlungsschichten erkennen.

Bei seiner dritten Grabungskampagne gelingt Schliemann schließlich am 31. Mai 1873 der Fund, der ihn weltberühmt macht:

Großes Diadem
Schliemann-Museum Ankershagen Großes Diadem aus dem Schatz des Priamos (Nachbildung)

Der "Schatz des Priamos"

Der goldene Stirn- oder Brustschmuck gehört zu den spektakulärsten Funden Schliemanns in Troja. Er ist Teil des sogenannten Schatzes des Priamos und wurde im Fundkomplex Troja IIg entdeckt, der allerdings rund 1000 Jahre älte ist als Homers Troja. Am Diadem hängen an einer horizontalen Kette 90 Ketten verschiedener Länge, verziert mit kleinen schuppenförmigen Blättchen. Außen enden sie in idolförmigen Anhängern. Die mittleren Gehänge laufen in blattförmigen zweizackigen Gebilden aus feinen Kettengliedern aus. Das gesamte Diadem besteht aus 16.337 Einzelteilen.

Bei dem Diadem des Schliemann-Museums in Ankershagen handelt es sich um eine Nachbildung. Originale des Schatzes befinden sich gegenwärtig im Moskauer Puschkin-Museum.

Grabungsbericht Der Schatz des Priamos von Heinrich Schliemann
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek Grabungsbericht Der Schatz des Priamos von Heinrich Schliemann (Allgemeine Zeitung vom 5.8.1873)

Dieser Grabungsbericht erscheint in der "Allgemeinen Zeitung" vom 5. August 1873 und löst ein größeres Medienecho aus. Eine Beschreibung zweier Diademe ("Kopfbinde") ist auf der zweiten Seite zu finden.

Sophia Schiemann mit einem Diadem aus dem Schatz des Priamos
Quelle: commons.wikimedia.org Sophia Schliemann mit einem Diadem aus dem Schatz des Priamos

Den Schatz-Fund begleitet Schliemann mit einer engagierten Öffentlichkeitsarbeit: Grabungsberichte und Fotos seiner Frau Sophia, die einen Teil des antiken Schmucks trägt, gehören dazu.

Schliemann-Satire: Meditionen über Mykene (Punch 1876)
Quelle: Universitäts­bibliothek Heidelberg Meditationen über Mykene: Karrikatur von 1876 aus dem britischen Satire-Zeitschrift "Punch"

Die Bezeichnung als "Schatz des Priamos" sowie die Art der Präsentation rufen Widerspruch hervor: nicht allein seitens der universitären Wissenschaft, die dem Quereinsteiger Schliemann ohnehin skeptisch gegenübersteht, sondern auch in Satire-Zeitschriften.

Rund dreißigmal nimmt der wöchentlich erscheinende "Kladderadatsch" Schliemann aufs Korn. Auf den oben stehenden Grabungsbericht folgt nur wenige Tage später ein Spottgedicht in der Ausgabe vom 10. August 1873.

Die Kritik ist nicht auf Deutschland beschränkt: So nimmt diese englische Karikatur von 1876 Bezug auf Schliemanns Grabung im griechischen Mykene, die die sogenannte Maske des Agamennon zu Tage fördert.

Troja-Konferenz Schliemann mit Virchow u.a.
Quelle: Archiv Schliemann-Museum Ankershagen Troja-Konferenz 1890

Mit der Zeit aber wächst die Anerkennnung zumindest in Teilen der Wissenschaft. Auch gesellschaftlich geht es für Schliemann voran. Großen Anteil hat daran der Reichstagsabgeordnete und Arzt Rudolf Virchow: Er verhilft Schliemann 1877 zur Ehrenmitgliedschaft in der "Deutschen Anthropologischen Gesellschaft". Virchow überzeugt den Archäologen auch, seine "trojanische Sammlung" in Berlin zu zeigen. Schliemann vermacht die Sammlung "dem deutschen Volke" unter der Auflage, sie in "Schliemann-Sälen" zu zeigen.

Die inhaltlichen Auseinandersetzungen dauern dennoch an. Nach 1884 liefert sich Schliemann den "Trojanischer Federkrieg" – so der Titel einer Monographie von Michaela Zavadil – mit dem Privatgelehrten Ernst Boetticher, der die Interpretation der Funde Schliemanns in Frage stellt. Die Diskussionen führt schließlich zu zwei Troja-Konferenzen 1889/90.

Das Foto stammt von der zweiten Troja-Konferenz 1890:
Rudolf Virchow ist der Erste von links, Heinrich Schliemann der Vierte von links. Auch der Ideen-Geber für die Grabung in Hirsalik, Frank Calvert (sitzend, links), nimmt an der Konferenz teil.

Malchower Nachrichten Ausgabe vom Freitag, den 03 Januar 1890, Seite 2, Ausschnitt
Malchower Nachrichten für Stadt und Land vom 3. Januar 1891

Am 26. Dezember 1890 stirbt Heinrich Schliemann in Neapel an den Folgen einer Operation. Die Nachricht von seinem Tod ist das bestimmende Thema zum Jahreswechsel 1890/91. Sie geht um die Welt und findet ihren Weg auch in die mecklenburgische Provinz.

Hier wiedergegeben ist eine Meldung aus Malchow.

Grabmal Schliemann Zeichnung Ernst Ziller 1892
Quelle: commons.wikimedia.org Grabmonument Heinrich Schliemanns, Zeichnung von Ernst Ziller, 1892

Auch über den Tod hinaus bleibt sich Schliemann als Verehrer der Antike und Selbstdarsteller treu. Sein Grabmal ließ er schon zu Lebzeiten im Stil eines griechischen Tempels planen. Es ist noch heute auf dem Athner Zentralfriedhof zu finden.

Online und offline weiterlesen:

- detailierter Lebenslauf Heinrich Schliemanns

Heinrich Schliemann: Archäologe, Visionär und Influencer

- Stefanie Samida: Heinrich Schliemann

- Stefanie Samida: Die archäo­logische Entdeckung als Medienereignis. Heinrich Schliemann und seine Ausgrabungen im öffentlichen Diskurs, 1870–1890

- Michaela Zavadil: Ein Trojanischer Federkrieg: Die Auseinandersetzungen zwischen Ernst Boetticher und Heinrich Schliemann

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Redaktion & Umsetzung:

Mathias Richter, Schwerin