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März 1920

Der Kapp-Putsch in Mecklenburg und Pommern

Schlagzeile: Sturz der Reichsregierung - Berlin von gegenrevolutionären Truppen besetzt - Generallandschaftsdirektor von Kapp Reichskanzler und Ministerpräsident
Tageblatt für Vorpommern vom 14.3.1920

Von Schwerin sind es rund 180 Kilometer Luftlinie nach Berlin, von Neustrelitz 100, von Stralsund 200 – die Reichshauptstadt als Zentrum des Kapp-Putsches lag auch vor 100 Jahren nicht weit entfernt.

Nicht nur die Nachricht vom Putsch wurde schnell per Telefon in den beiden mecklenburgischen Staaten und nach Pommern verbreitet. Auch einige der Akteure konnten an einem Tag von der Reichshauptstadt hierherkommen.

So machte der Schweriner Brigadekommandeur der Reichswehr, Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck, am ersten Tag des Putsches, dem 13. März 1920, in Berlin Station. Dort unterstellte er sich General Walther von Lüttwitz, der zusammen mit Wolfgang Kapp den Putsch anführte, und reist zurück nach Schwerin. Den gleichen kurzen Weg hatten auch die Offiziere des Freikorps Roßbach, die von Lettow-Vorbeck zur Unterstützung rief.

Schlagzeile: Sturz der Reichsregierung - Berlin von gegenrevolutionären Truppen besetzt - Generallandschaftsdirektor von Kapp Reichskanzler und Ministerpräsident
(Quelle: Digitale Bibliothek MV) "Sturz der Regierung" Tageblatt für Vorpommern vom 14.3.1920

Zeitungen verbreiteten die Nachricht vom Sturz der Reichsregierung weiter, teilweise sogar noch am selben Tag wie "Das Freie Wort", eine in Schwerin erscheinende, sozialdemokratische Zeitung.

Mit der Nachricht vom Putsch begann auch der Widerstand, vornehmlich der Arbeiter, dagegen.

Das zeigt sich in dieser Greifswalder Zeitung recht eindrücklich: Während auf der Titelseite Kapps Bekanntmachungen gedruckt wurden, findet man wenige Seiten später einen Aufruf der Gewerkschaften zur "Arbeiter-Versammlung" – neben Anzeigen für "Kleiderstoffe" und "Elekt. Licht- und Kraftanlagen"

Aufruf zum Generalstreik und zur Versammlung im Marstall Schwerin 14.3.1920
(Quelle: Landes­haupt­archiv Schwerin) Aufruf zum Generalsstreik und zur Versammlung im Schweriner Marstall am 13. März 1920

In Schwerin unterzeichneten SPD, USPD, KPD und das Gewerkschafts­kartell am 13. März den Aufruf zum Generalstreik. Der Aufforderung, sich abends im Marstall zu treffen, folgten mehrere Tausend Menschen. Reichswehrsoldaten und Arbeiter standen sich dort zwar gegenüber, aber es blieb friedlich.

Auch in Wismar und Rostock trafen sich die Führer der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften noch am 13. März. Sie beschlossen, die Arbeiter zu bewaffnen. Diese Entscheidung war riskant und nicht unumstritten.

Deutlich defensiver verhielt es sich in Mecklenburg-Strelitz: Hier konnte sich die SPD nicht entschließen, zum Generalstreik aufzurufen.

Menschenmenge in der Schweriner Schlossstraße gegen 9 Uhr am 15. März 1920 (Quelle: Mecklenburgische Zeitung vom 28.3.1920)
(Quelle: Mecklen­burgische Zeitung vom 28.3.1920) Menschenmenge in der Schweriner Schloßstraße gegen 9 Uhr am 15.März 1920,

Der 14. März war von Gesprächen und Verhaftungen geprägt. SPD und USPD versuchten, die Soldaten der Schweriner Garnison zu überzeugen, zur Republik zu stehen. Generalmajor von Lettow-Vorbeck verstärkte seine Truppen in der Landeshauptstadt: Soldaten aus umliegenden Städten wurden nach Schwerin beordert. Aus Berlin rief er Leutnant Roßbach zu Hilfe, dessen Freikorps reaktiviert und wieder in die Reichswehr aufgenommen wurde.

Die angespannte Lage mit bewaffneten Arbeitern und Reichswehrsoldaten, die wichtige Gebäude in der Stadt besetzt hielten, entlud sich einen Tag später am so genannten blutigen Montag. Nur kurze Zeit nachdem das Foto gegen 9 Uhr in der Schlossstraße entstanden war, schossen Arbeiter und Soldaten vor der Schweriner Post aufeinander. 14 Zivilisten und 2 Reichswehrsoldaten starben.

Anzeigen-Text: Achtung Revolution!! - Oeffentliche Arbeiter-Versammlung - Wahl der Arbeiterräte - Auf zur Errichtung der Rätediktatur - Das Gewerkschaftskartell
(Tageblatt für Vorpommern vom 14.3.1920 Quelle: Digitale Bibliothek MV) Aufruf zur Versammlung in der Greifswalder Hansa-Halle

Auch in Pommern stellten sich linke Parteien und die Gewerkschaften den Putschisten entgegen. Allerdings hatten sie unterschiedlichen Erfolg. Während es in der Großstadt Stettin schon am 14. März weder Strom noch Gas gab, konnten sich die Putschisten insbesondere im Regierungsbezirk Stralsund behaupten. So war die erwähnte "Arbeiter-Versammlung" in Greifswald, der zweiten großen Stadt im Regierungsbezirk, zunächst verboten worden. Sie fand dann doch statt, wurde aber schon gegen 10:45 Uhr von der Reichswehr wieder aufgelöst.

Es gelang den Putschisten, den Generalstreik im Regierungsbezirk Stralsund bis zum 16. März zu verzögern.

Soldaten des Freikorps Roßbach in der Lübschen Straße in Wismar
Quelle: Bundesarchiv, Bild 119-2815-20 [CC BY-SA 3.0 DE)] via commons.wikimedia.org Soldaten des Freikorps Roßbach in Wismar

Im Verlauf des 15. März sammelten sich Kommandeure und Mannschaften des Freikorps Roßbach auf dem Flugplatz Schwerin-Görries. Und obwohl am 17. März der Putsch in Berlin gescheitert war – Kapp und Lüttwitz waren zurückgetreten – , marschierten die Roßbacher zusammen mit anderen Reichswehrsoldaten nach Wismar und besetzten die Hansestadt am 19. März. Schon auf dem Weg dorthin verhafteten und ermordeten sie mehrere Zivilisten.

Das Foto zeigt Soldaten des Freikorps nach der Eroberung in der Lübschen Straße in Wismar.

Der Vormarsch auf das nächste Zentrum der Arbeiterbewegung – Rostock – wurde letztlich nur abgebrochen, weil General von Lettow-Vorbeck vom neuen Oberbefehlshaber der Reichswehr abgesetzt wurde.

Denkmal für die Opfer des Kapp-Putsches auf dem Friedhof Wismar
Foto: Ruchhöft-Plau [CC BY-SA 3.0 DE via commons.wikimedia.org] Denkmal für die Märzgefallenen in Wismar

Die Kämpfe im Zusammenhang mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch waren in Mecklenburg besonders heftig. Insgesamt 91 Menschen starben hier auf beiden Seiten, davon 54 unbewaffnete Zivilisten. Die Ursache liegt im Aufeinandertreffen eines entschlossenen Putschistenführers auf nicht weniger entschlossene Arbeiter.

Zum Gedenken an die Toten wurden an vielen Orten Gedenksteine errichtet. Auf dem Wismarer Friedhof wurde das Denkmal am 2. April 1921 eingeweiht. Hier genau wie in Schwerin riefen SPD und Gewerkschaften bis 1933 jährlich zu Gedenkfeiern auf.

Gedenktafel Kapp-Putsch Schwerin
Foto: Sebastian Alm [CC BY-SA 3.0 DE via commons.wikimedia.org] Gedenktafel für die Schweriner Opfer des Kapp-Putsches, enthüllt am 18.März 1955

Nach dem Ende der NS-Herrschaft und der Zwangsvereinigung von SPD und KPD nutzte die SED das Gedenken zur Legitimation. Ab 1955 wurden neue Denkmale errichtet. Am Anfang stand die Gedenktafel an der Schweriner Hauptpost, die am 18. März enthüllt wurde.

Kapp-Putsch Gedenkstein auf dem Dietrich-Bonhoeffer-Platz Greifswald
Foto: Moritz Cordes [CC BY-SA 3.0 DE via commons.wikimedia.org] Denkmal auf dem Greifswalder Dietrich-Bonhoeffer-Platz

Das Denkmal auf dem heutigen Dietrich-Bonhoefer-Platz in Greifswald entstand ebenfalls 1955. Die Inschrift zeigt, dass sich die Situation auch in Pommern mit den Rücktritten in Berlin nicht beruhigte. Die Männer starben bei einer Demonstration drei Tage nach dem Scheitern des Kapp-Putsches.

Zeitleiste Kapp-Putsch

13. März

Wolfgang Kapp ernennt sich zum Reichskanzler, die militärische Führung hat General von Lüttwitz.
Soldaten besetzen das Berliner Regierungsviertel.

Der Schweriner Brigadekommandeur Paul von Lettow-Vorbeck unterstützt den Putsch. Soldaten besetzen Post und Bahnhof.

Aufruf zum Generalstreik.

14. März

Versammlungen finden in vielen Orten in Mecklenburg und Pommern statt.
Die Schweriner Regierung verweigert Kapp die Unterstützung.

Genral von Lettow-Vorbeck ruft das Freikorps Roßbach nach Mecklenburg.

15. März

Dem Aufruf zum Generalstreik gegen den Putsch wird in Mecklenburg weitgehend gefolgt.

In Schwerin schießen Soldaten auf Demonstranten.

Die Regierung von Mecklenburg-Strelitz erkennt Reichskanzler Kapp an.

16. März

Auch im Regierungsbezirk Stralsund beginnt der Generalstreik.

In Anklam werden Menschen mit Maschinengewehrfeuer vom Markt vertrieben.

17. März

Reichskanzler Kapp und General von Lüttwitz treten zurück. In Berlin ist der Putsch gescheitert.

In Mecklenburg und Pommern gehen die Auseinandersetzungen weiter. Das Militär schießt in Güstrow auf Zivilisten.

18. März

Die Stadt Waren wird mit Artillerie-Geschützen beschossen.

Lettow-Vorbeck wird als Kommandeur abgelöst.

19. März

Die Reichswehr mit dem Freikorps Roßbach besetzt Wismar.

Alle Parteien im Schweriner Landtag verurteilen den Putsch.

ab 20. März

Soldaten kehren in die Kasernen zurück, die Arbeit wird wieder aufgenommen. Der Generalstreik war erfolgreich. Die Arbeiter nehmen nach und nach wieder ihre Arbeit auf.

Buchdeckel Bernd Kasten Kapp-Putsch in Mecklenburg

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Martin Schaubs - Märzstürme in Pommern

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Impressum und Dank

Ein besonderer Dank gilt den Unterstützer*innen, die Wissen und Exponate beisteuerten:

Bernd Kasten, Stadtarchiv Schwerin
Florian Ostrop, Stiftung Mecklenburg

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